"Artossa is back"

1983 im Sommer :

 

Am Anfang stand eine spontane Idee : Ein besonderes Geburtstagsgeschenk für einen Freund.

Zwei Freunde am Baggersee überlegten sich, Geschenke kaufen kann doch jeder, aber wir sind schließlich Mucker, da muß doch was gehen ?

 

Die beiden Freunde waren Roland Weller, Pianist & Keyboarder, und Andreas „James“ Eigner, Gitarrist. Beide spielten derzeit erfolgreich in anderen Bands, Roland bei der Jazzrock-Formation Circle und bei der Rockband Herr Mann; James war in der Scarlet Anvil Band.

 

Schnell war man sich einig – das war DIE IDEE !

Natürlich wollte man rocken, also mußte eine Rhythmusgruppe her. Kein Problem ! James´ Kumpel Joachim „Archie“ Köller, ebenfalls bei Scarlet Anvil, könnte Schlagzeug spielen, und der brachte gleich noch seinen Freund Uwe Reinecker als Bassisten mit. Den Gesang übernahm Frank „Schaumi“ Schomburg.

Es wurde fleißig geprobt, man studierte Stücke von BAP und anderen aktuellen Bands ein. Von Roland und James kamen einige musikalische Ideen, die sie schon seit einiger Zeit im Kopf hatten, und aus denen schon nach kurzer Zeit der Grundstock des späteren festen Repertoires wurde : „Time for love“, „Hard to live“ und „I only wanna be with you“ entstanden schon in dieser frühen Phase.

 

Schließlich kam der Termin der Feier, und der Auftritt wurde ein grandioser Erfolg. Sie waren so gut, dass einer der Veranstalter des Barsinghausener Stadtfestes, der auch eingeladen war (Edi vom Faxeschiff), die Jungs hinterher ansprach und sie fürs nächste Stadtfest in 4 Wochen anwarb.

 

Das hatte zwei Konsequenzen : Das Programm musste drastisch erweitert werden und man brauchte einen Namen, und zwar auf die Schnelle…

Uwe erinnerte sich an eine schöne Perserin, die er mal kannte mit dem klangvollen Namen „Artossa“ – Problem gelöst !

Um das Programm zu erweitern, steckten James & Roland weiter die Köpfe zusammen und brachten so mehr und mehr eigene Songs ein, es stellte sich heraus, dass sie äußerst fruchtbar zusammenarbeiteten.

 

Nach dem nächsten erfolgreichen Gig auf dem Stadfest kam die Sache richtig ins Rollen, und allein durch Mund-zu-Mund-Propaganda hatte die Band einen Auftritt nach dem anderen.

 

Im Frühjahr ´84 nahmen sie sich eine Auszeit, um in Ruhe an neuen Stücken zu arbeiten und ins Studio zu gehen. Im ProSound Studio in der Nordstadt wurde  als Demo „Time for love“, „Hard to live“ und „You got to get“ aufgenommen. Die Klausurzeit sollte auch dazu dienen, sich auf ein Festival im September in Hamburg vorzubereiten, das ein Contest für junge Bands sein sollte und als Hauptpreis einen Gig in der bekannten Hamburger „Fabrik“ versprach.

Artossa als bisher ortsfremden Musikern wurde ein ziemlich undankbarer Platz eingeräumt – sie mussten als Soundcheckband herhalten, erfüllten diesen Job aber mit genügend Enthusiasmus, um nach dem Auftritt vom Veranstalter auf die Seite genommen zu werden.

Die Sache war schon entschieden, der Veranstalter, der die ganzen anderen Bands aus dem Hamburger Raum schon mal gehört hatte, wusste von vorn herein, dass diese gegen Artossa, die mit Frische und eigenem Material angetreten waren, keine Chance hatten – der Gig in der Fabrik stand !

 

Noch eine zweite glückliche Fügung war das Zusammentreffen mit einer jungen Hamburger Sängerin auf dem besagten Festival : Uschi Wittig.

Stimmlich ergänzte sie die Truppe hervorragend, und das Material gefiel ihr auch. Was lag also näher, als noch ein weiteres Mal ins Studio zu gehen, und Uschi gleich mit einzubinden ?

 

Diesmal sollte alles etwas professioneller laufen, nicht nur ein Demo, sondern Aufnahmen mit Single-Qualität sollten entstehen.

Dazu wurde im Oktober das UAM-Studio  in Lüneburg aufgesucht, wo als Toningenieur der langjährige Lindenberg-Begleiter Manfred Lohse zur Verfügung stand, und mit einer Menge Fachwissen weiterhalf.

 

Hier wurde eine neue Aufnahme des live überaus erfolgreichen Eröffnungstitels „Time for love“ gemacht; außerdem noch die Up-Tempo Nummer „Permanent runday“ und die Ballade „I only wanna be with you“, aus der sich hervorragend ein Duett zwischen Uschi und Schaumi machen ließ.

 

Da das Zusammenspiel von  Uschi und dem Rest der Band so gut klappte, wurde sie für die Zukunft fest mit eingebunden. Der erste gemeinsame Auftritt war der in der „Fabrik“ im November 84.

 

Für das Frühjahr kam mithilfe der Aufnahmen eine Tournee zusammen, die die Band durch große Teile Deutschlands führte. ( Göttingen, Hanau, Bad Hersfeld, Alzey, Frankfurt, Mainz, Koblenz, Köln, etc, und zum Abschluß im Flohcircus in Hannover).

Mittlerweile wurde die Neuaufnahme von „Time for love“ ziemlich häufig vom NDR im Radio gespielt, was die Popularität von Artossa noch erhöhte.

 

Es folgten weitere Touren im Herbst 85 sowie Winter 85/86.

 

 

Das Jahr 86 war dann ein Jahr der Veränderungen.

 

 

Bei einigen der Bandmitglieder ergaben sich berufliche Veränderungen, teilweise mit Ortswechsel verbunden. So schieden nacheinander James Eigner und Frank Schomburg aus der Band aus, und auch Uschi Wittig hatte mit dem Problem der Entfernung zu kämpfen, denn sie lebte weiterhin in Hamburg, und wollte dort auch bleiben.

 

Für James wurde an der Gitarre ab Sommer Jochen Zastrau engagiert, ein angehender Arzt mit derzeit wachsendem Erfahrungsschatz in der pathologischen Abteilung und entsprechend makaberen Witzen im Gepäck.

 

Auch Bassist Uwe Reinicker mußte erstetzt werden, was gar nicht so leicht war – für die nächsten Jahre standen immer wieder erneute Wechsel der Bassisten an. Als Aushilfe während der Zeit der Suche sprang für einen Gig in Hannovers Flohcircus erstmal Axel Brandes ein, der sich in einem Marathon (von Montag – Material anhören – bis Freitag – ab auf die Bühne !) das Programm draufschaffte.

Später war eine Zeit lang Angie aus Gifhorn am Bass, doch auch ihr war der Weg zu den immerhin 2x wöchentlich stattfindenden Proben langfristig zu weit.

Es dauerte bis ca. ´87, bis schließlich Tom Kaiser am Bass stand, ein Gitarrenbauer aus Hannover, der sehr gut zur Band passte.

Auch Ersatz für den Gesang zu finden, stellte den verbliebenen harten Kern der Band, nämlich Roland und Archie, vor einige Probleme.

Im Januar schienen die Sorgen gelöst, sie verpflichteten Chris Scheiba für den männlichen Part. Auch für den weiblichen Gesangspart schien sich eine Lösung abzuzeichnen :

Über mehrere Ecken erfuhr Roland von einer jungen Sängerin aus Hannover, die eine geeignete Kandidatin zu sein schien. Es gab da nur eins zu bedenken – Myriam Nehr war noch sehr jung, der 18. Geburtstag kam erst im März und sie hatte noch gar keine Banderfahrungen gesammelt – ob sie das packte ?

Sie packte es durchaus, und um sich weniger verloren zu fühlen zwischen all den gestandenen Männern (keiner unter dreißig), brachte sie kurzerhand ihre jüngere Schwester Daniela mit zu den Proben. Zuhause hatten sie die neuen Stücke sowieso zusammen einstudiert, und da sie schon immer zweistimmig zusammen gesungen hatten, warf das Ergebnis die anderen Bandmitglieder einfach um.

 

 

 

 

In dieser Besetzung wurde nun endlich wieder ausgiebig geprobt, die Band mußte schließlich wieder in Form kommen. Im Sommer kamen einige mittlerweile schon obligatorisch gewordene Stadtfeste, wie in Gehrden oder Barsinghausen; Artossa war hier längst zu einer festen Größe geworden, und für die Veranstalter ein Garant für gute Laune. Die Nehr-Geschwister waren mit Feuereifer und jugendlichem Enthusiasmus dabei.

 

Durch den mittlerweile dreistimmigen Gesang änderte sich der Sound von Artossa ein wenig, es gab plötzlich ganz andere Möglichkeiten. In dieser Zeit entstanden neue Stücke, die auf den drei Stimmen von Chris, Myriam und Danny basierten, aber viele alte Titel ließen sich auch wunderbar darauf umarbeiten – dieses Potential mußte schließlich ausgenutzt werden.

 

1988 verließ Chris Scheiba die Band. Nach einigem Suchen fand sich Ersatz, und zwar Michael Schneider. Der war von Haus aus eigentlich Gitarrist, aber mit Stimme. Hier eröffneten sich wieder einmal neue Möglichkeiten. Jetzt war auch ein Wechselspiel zwischen 2 Gitarren drin, ein hin- und herwerfen der Bälle bei Soli oder zweistimmiges Spiel.

 

Artossa spielte sich weiterhin durch Clubs, Studentenhochburgen und Stadtfeste aller Art, die Gagen wanderten zu dieser Zeit immer in den großen Pott. Es gab große Pläne : Im Frühjahr ´89 sollte es wieder ins Studio gehen, für eine Maxi-Single.

Sängerin Myriam hatte vor einiger Zeit durch Zufall Jens Krause, den damaligen Drummer der hannoverschen Partyband Fire Cats kennen gelernt, und von ihm erfahren, dass er kürzlich zusammen mit seinem Kumpel Wolfgang Sick ein neues Tonstudio aufgebaut hatte.

Dies war das Peppermint Park Studio, damals noch am Weidendamm gelegen, gleich um die Ecke des Güterbahnhofes von Hannover.

 

(Peppermint Park sollte später noch zu beachtlicher Größe gelangen durch Acts wie Fury in the Slaughterhouse und Mousse T. !!! Dies ermöglichte dann Anfang des neuen Jahrtausends den Umzug auf das ehemalige Expo-Gelände Hannover.)

 

Im Februar 1989 jedoch war man erst in den Anfängen, die Fenster waren noch nicht ausreichend isoliert, so dass immer wenn nebenan die Kirchenglocken loslegten, eine Aufnahmepause gemacht werden mußte.

Erschwerend kam dazu, dass sich Myriam mitten im Abitur befand, und meist direkt von den Klausuren hinter das Mikro eilte.

Trotz dieser kleinen Schwierigkeiten konnte sich nach 10 Tagen harter Arbeit das Ergebnis sehen lassen. Neben den Reißern Madness und The Touch enthielt das Vinyl noch den stimmlich sehr ausgeformten Rocktitel City Lights sowie eine wunderschöne Ballade namens Only a man.

 

Nun hatte Artossa einen offiziellen Tonträger in der Hand, der weitere Türen öffnete, und der Band für Frühjahr und Sommer noch breiter gefächerte Möglichkeiten für Gigs bot. Die Band war bundesweit unterwegs, spielte viele Locations, wie z. B. Hameln, Celle, Clausthal-Zellerfeld, Frankfurt, Mainz, Koblenz, Wedemark, Walsrode, Soltau, Langenhagen, Braunschweig, Paderborn, Bad Münder uvm.

 

 

Diese Tour gipfelte in einem grandiosen Auftritt im Oktober ´89 vor ausverkauftem Haus im Capitol Hannover. Dieser ziemlich große Live-Club ist bis heute nicht leicht zu spielen; man muß dazu wissen, dass es sich hier um ein ehemaliges Kino handelt, bei dem die Bühnenrückseite wie ein Grammophontrichter geformt ist. Eine solche Raumform stellt die verrücktesten Dinge mit dem Schall an : Was auf der Bühne ganz toll klingt, kann sich im Saal höchst merkwürdig anhören, und was unten ein schöner Ton ist, geht auf der Bühne komplett verloren. Doch auch diese Hürde meisterte Artossa mit Bravour. Insgesamt war dies einer der besten Gigs der nun seit 6 Jahren existierenden Band.

 

Es sollte auch ihr letzter werden und das grandiose Capitol-Konzert bot die Möglichkeit für einen Abschied mit einer guten Erinnerung.

 

 

 

Archie hatte sich in der letzten Zeit immer mehr für die organisatorischen Bereiche der Live-Musik interessiert, mittlerweile auch immer wieder anderen Bands Auftritte besorgt, oder sich um deren Planung gekümmert. Der logische Weg für ihn war die Gründung einer Agentur.

 

Roland hingegen wollte zurück zu seinen Wurzeln, die (mit der Band Circle) teilweise auch im Jazz lagen. Schon im Sommer ´89 hatte er, parallel zu Artossa, angefangen, mit Sängerin Myriam ein Duo-Programm aufzubauen, welches im Winter in Gehrden im Café am Markt unter dem Namen Ebony Rose Premiere haben sollte. 

 

 

18 Jahre später :

 

Roland Weller betreibt inzwischen erfolgreich, die Musik Werkstatt Wennigsen. Er macht Musikproduktionen, unterrichtet, führt junge Menschen ein in die Geheimnisse der handgemachten Musik. Er fördert einen aufsteigenden Stern am Klassikhimmel, den jungen südkoreanischen Ausnahmepianisten Sunghoon Hwang.

 

Außerdem arbeitet er eng mit einem hannoverschen Jazzduo zusammen, für welches er im Sommer 2005 eine CD produziert hat : Der Savoy Jazz Club, bestehend aus dem russischen Pianisten Sergej Melnik und der Sängerin – Myriam Nehr !

 

Nach vielen Jahren der getrennten Wege war man wieder zusammengekommen. Roland und Myriam haben auch die Proben für Ebony Rose wieder aufgenommen.

 

Und 2007 dann ein einschneidendes Ereignis : Der Jane-Drummer Peter Panka verstirbt unerwartet im Sommer. Man kannte und schätzte sich,( Roland kannte Peter seit 1973) schließlich war Peter seit einiger Zeit in Wennigsen/Degersen beheimatet. Für Roland Ehrensache, im Herbst zum Gedenkkonzert für Peter ins Capitol zu gehen.

 

Und da reift plötzlich eine Idee, die schon seit einiger Zeit in seinem Kopf herumgerollt war :

Wennigsen sollte ein eigenes Musikfestival bekommen, an drei Tagen und unterschiedlichen Locations Musik satt, die unterschiedlichsten Richtungen für die unterschiedlichsten Leute.

Und inspriert durch den Abend mit kraftvoller Rockmusik, ist es für Roland plötzlich gar nicht mehr so unvorstellbar, selbst wieder zu rocken, das Keyboard abzustauben, und es mal wieder so richtig krachen zu lassen. Myriam tönte schon seit einiger Zeit, sie wolle einen Ausgleich zu den vergleichsweise leisen Tönen des Jazz, es müsse mal wieder was passieren.

Was lag also näher, als eine alte Gemeinsamkeit zurück ins Leben zu rufen ? Artossa sollte wieder auf die Bühne, und die Premiere wird das Festival !

 

Das war erstmal leichter gesagt, als getan, die alten Mitglieder waren in alle Winde zerstreut. Doch Roland ließ sich nicht entmutigen, er hörte sich verschiedene Musiker an, sondierte, ob die Musik gefiel.                                     

Schließlich, im Frühjahr 2008, ist es dann soweit : Es wird wieder geprobt, nach ein wenig hin und her hat die Band ein neues (Probe-)Zuhause gefunden. Der neue Drummer ist Odo Paruschke.

An der Gitarre steht Ecki Bystron, ein Rocker der alten Schule. Am Bass steht ein alter Bekannter, nämlich Axel Brandes, der vor über 20 Jahren mal im Flohcircus eingesprungen ist.

Roland bearbeitet seine Keyboards wie eh und je, mit modernisierter Technik, aber der alten Spielfreude. Myriam schwingt am Mikrophon das Zepter, und kitzelt aus Roland und Ecki die Dreistimmigkeit der früheren Tage heraus.

 

Dies alles kann nur eins bedeuten :

 

Artossa is back !

 

 von vorne, nach hinten  Myriam, Axel, Roland, Odo u. Ecki